ver- zer- ung- -en. Kakophonomatopoie nach Raoul Hausmann

ver- zer- -ung -en geht zum einen vom Lautgedicht  –lich! aus, das in „wiesohelles“ (Das fröhliche Wohnzimmer-Edition 2001) erschien und aus Affixen besteht, also eine Montage aus Vor- und Nachsilben ist. Zum anderen trifft es sich mit Raoul Hausmanns Fragmenten, die 1963 bei einer Italienreise mit dem Auto (Chauffeur Robert) entstanden und unter dem Titel „Umbruch“ (Haymon Verlag 1997) von Adelheid Koch herausgegeben wurden. Hausmann notierte während jener Fahrt: „Alles ist VER: Auch das Zukommende ist nach kurzer Zeit Vergangenes, Entwestes. Warum? Weil.“ (Umbruch, 19). –lich! wird somit, um ein weiteres Wort aus Hausmanns „Umbruch“ aufzugreifen, zu einer „Kakophonomatopoie“ ausgebaut und ausgerollt. Dabei wird versucht, die in diesem Begriff enthaltene Kritik ästhetisch zu nutzen. Hausmann: „Kakophonomatopoieen zerbröseln unmögliche Ruhe in anschwellenden absinkenden Lärmschwaden in Ohren gehallt wie unermüdlicher Wellenlärm Meeres vermischt mit Vogelschrei, nur dass Maschinen getrieben von nerventfesselten Männern auf Makadam sich auspoltern von Morgengrauen zu Mittagslicht zur Nachtbräune bis ins Morgengrauen mit Grausen das abwehrende Gehör anschwemmen bis zur Apathie ergebenen Nichtwiderstehens.“ (Umbruch, 53)

Performance der ersten Fassung „Affixe“ bei Huellkurven 5, curated by Thomas Havlik, Jörg Piringer und Jörg Zemmler im HUT (Sechshauserstr. 28, 1150 Wien) am 12.11.2016. Foto: Jörg Piringer

2020 bot sich dankenswerterweise die Gelegenheit, bei der Escape Séance, organisiert von Thomas Havlik als Veranstaltung für laut-bild-performative Zugänge „zur Eröffnung von Potenzialen einer Poetry outside the book“ (Thomas Havlik), die erweiterte Fassung „ver- zer- -ung -en“ mit Lecture und Performance zu präsentieren. Die Beiträge aller Mitwirkenden (Patricia Brooks, Verena Dürr, Thomas Havlik, Max Höfler, Jörg Piringer, Günter Vallaster) sind auf Youtube bereitgestellt.

Screenshots aus dem Video „ver- zer- -ung -en“ für die Escape Séance, Youtube-Stream am 27.12.2020. 

Textpartitur „ver- zer- -ung -en“ mit Weißraum für Improvisationen

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